Montag, 6. Januar 2014

Dynamo Dresden - VfL Bochum 0:0

Nach dem ernüchternden 0:4 gegen Union Berlin musste der VfL nach Dresden. Dynamo hat unter Olaf Janßen zu Hause drei Siege und zwei Unentschieden erspielt - war damit noch ungeschlagen. In einem umkämpften Spiel kann der VfL erneut ohne Gegentor bleiben, schafft es jedoch nicht, die 20 min Überzahl erfolgreich zu gestalten.
  

Grundformationen

   
Grundformationen zu Spielbeginn

Peter Neururer hatte im Vorfeld extremen Respekt vor Dynamos linker Seite mit dem wendigen Flügeldribbler Ouali. Dies könnte der Grund sein, warum er den dynamischen und zweikampfstarken Holmar Örn Eyjolfsson als rein defensiv orientierten Außenverteidiger aufbot. Davor spielte mit Onur Bulut ein Mittelfeldspieler, der ebenfalls schon Erfahrtung als Außenverteidiger und 6er gesammelt hat. Dieser spielte entsprechend gegenüber seinem Pendant Felix Bastians auf der anderen Seite etwas eingerückter und offensiv zurückhaltender. Die Rolle als 10er durfte gegen Dresden erstmals seit dem Spiel gegen den 1. FC St. Pauli wieder Yusuke Tasaka übernehmen. In diesem Spiel agierte er jedoch als 10er in einer Raute hinter zwei Stürmern und agierte im Pressing als zentraler Spieler in einem 4-1-3-2. Die Rolle der hängenden Spitze im 4-4-1-1 Pressing erfüllte er erstmals. Mirkan Aydin fiel die schwere Aufgabe zu, die Vertretung für Richard Sukuta-Pasu zu übernehmen.

"Im Vorfeld der Partie hätte ich ein Unentschieden sofort unterschrieben. Wir hatten in dieser Woche ein 0:4 wegstecken müssen, und jeder kennt die Heimbilanz von Dynamo seitdem Olaf Janßen hier Trainer ist."
Peter Neururer

Spielentwicklung

 
Es war ein extrem komisches Spiel, in welchem sich die Struktur ständig veränderte. Eine konsistente Analyse gestaltet sich deshalb sehr schwierig. Bochum operierte zuerst mit langen Bällen in Kombination mit extremen Nachrrücken. Diese lange Bälle wurden insbesondere in den linken Halbraum gespielt, wo Aydin, Bastians und ein extrem offensiver Fabian Holthaus Überladungen starteten. Es gelang jedoch selten, von dort in andere, insbesondere torgefährliche Räume zu gelangen. Im weiteren Verlauf des Spiels änderte sich die Ausrichtung. Es gab ein extremes Auffächern in Kombination mit einem flachen Spielaufbau. Dies kann auch daran liegen, dass Dresdens Pressing die Bezeichnung oft nicht verdiente. Das 4-4-1-1 soll eigentlich das Spiel auf eine Seite festlegen, zu der dann aggresiv verschoben werden kann. Es gab aber beispielsweise eine Situation wo sich Jungwirth und Latza zwischen den Stürmern fröhlich den Ball hin- und herspielen können. Dabei fehlten jedoch die Verbindungen zwischen Defensive und Offensive aufgrund einer zerrissenen Mannschaft (6 defensiv, 4 offensiv). Später schafft Tasaka diese Verbindung, indem er sich die Bälle etwas tiefer abholte und die Räume mit Dribblings überbrückte. Ab da war es strukturell okay. Dabei zeigte er auch in Ansätzen seine Pressingsresistenz gegen mehrere Gegenspieler im Sechserraum Ein gutes Beispiel ist Aktion vor der Chance von Bastians. Trotz allem gab es jedoch noch häufig schlechte individuelle Entscheidungen. Zwischendrin stellte sich eine Phase mit extremen Schwimmen ein. Insbesondere Maltritz wirkte hier unsicher, was jedoch auch mit seiner Verletzung zusammenhängen kann.

Eigenarten der Bochumer Defensivspielweise

  
Diese zonenorientierte Deckung macht mich noch wahnsinnig. Es gab eine Situation, in der Bochum mit der kompletten Viererkette gegen einen Gegenspieler steht, der ins 1 vs. 1 am Flügel geht. Die Viererkette schiebt jedoch nicht rüber zum Doppeln. Die Außenverteidiger des VfL sind aufgrund dieses Deckungssystems oft auf sich allein gestellt. Dies könnte auch ein Grund sein, warum das Trainerteam auf diesen Positionen gern auf Innenverteidiger zurückgreift. Zumindest wird weitläufig angenommen, dass diese 1 vs. 1 Situationen gut lösen können. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass Innenverteidiger meist im Rücken des Gegners agieren. Am Flügel kommt es jedoch eher zu einem frontalen 1 vs. 1.
 

Wechsel

  
Die ersten Wechsel waren positionsgetreu. Heiko Butscher kam zur Halbzeit für den verletzten Marcel Maltritz. Jan Gyamerah ersetzte Danny Latza und übernahm im Tausch mit Onur Bulut, der die rechte defensive Mittelfeldposition übernahm, die rechte Außenbahn. Nach der roten Karte für Dresden in der 71. min wechselte das Trainerteam erneut. Piotr Cwielong kam für den offensiveren Außenverteidiger Fabian Holthaus, Felix Bastians wechselte zurück in die Abwehrkette. Statt ein Zeichen zu setzen und auf zwei offensive Außenverteidiger umzustellen, blieb die bisherige Spielbalance erhalten. Holmar Eyjolfsson blieb als defensiver AV auf dem Feld. Voraussichtlich wollte Peter Neururer den jungen Jan Gyamerah nicht als Außenverteidiger gegen Idir Ouali stellen.

"Allerdings hätten wir nach der Roten Karte unsere Überzahl besser nutzen müssen. Anscheinend hat die Mannschaft die Signale von der Außenlinie nicht richtig gedeutet. Am Ende wäre sicherlich mehr möglich gewesen."
Peter Neururer

Die Leistung der Nachwuchsspieler


Beide Außenverteidigerpositionen wurden gegen Dresden von jungen Talenten besetzt. Diese sind oft im Spielaufbau oder zum Stellen auf der Außenbahn leicht vorgerückt. Aufgrund der mangelnden Unterstützung (siehe Eigenarten der Bochumer Defensivspielweise) können sie schnell durch einen Doppelpass überspielt werden. Paul Freier bleibt in solchen Situation auch mal stehen. Eyjolfsson hat jedoch mehrfach noch den Ball gewonnen. Insgesamt war Eyjolfsson defensiv richtig stark. Sein Rückwärtspressing ist unglaublich. Rückwärtspressing bezeichnet dabei das Tacklen von hinten, nachdem man eigentlich schon überspielt wurde. Man braucht Schnelligkeit, gutes Timing und Koordination. Man muss ja erst aufholen, sich dann neben den Gegner schieben und den richtigen Zeitpunkt für das Tackling abpassen - der Ball muss dazu kurz frei sein. Hier ist Eyjolfsson deutlich stärker als Paul Freier. Dieser ist jedoch als Bochums bester Vorbereiter offensiv eine ganz andere Liga. Im Vergleich zu Eyjolffson, der seine Rolle als defensiver Außenverteidiger klar erfüllte, war Fabian Holthaus erst zu offensiv, dann zu defensiv bzw. nicht aggressiv genug im Nachrücken. Bei ihm fehlte etwas die Balance.

Onur Bulut zeigte auf der rechten Außenbahn seine wahnsinnige Dynamik. Er ist häufig gefoult worden, weil der Gegner einfach nicht mit soviel Tempo beim Ablaufen rechnen konnte. Der Dresdner dachte wohl er wäre vorher am freien Ball, wuuusch, da war Bulut dazwischen. Wenn er diese Dynamik noch zielgerichterter offensiv einsetzen würde, könnte er Bochum noch viel Freude bereiten. Ich sag nur Unur Bulumeyang. Die Flügelläuferposition in alternativen Systemvorschlag wäre auch etwas für ihn.

Nach seiner Einwechslung zeigte auch Jan Gyamerah eine ansprechende Leistung auf der rechten Außenbahn. Seine Bewegungsmuster erinnern dabei sehr an Paul Freiers Interpretation des offensiven Außenverteidigers, d. h. er überläuft gern außen die erste Linie des Gegners um dann diagonal in den Zwischenlinienraum zu ziehen. Wie bei Freier wurden diese Läufe jedoch nicht direkt mit raumschaffenden oder freilaufenden Bewegungen der anderen Offensivspieler begleitet, so dass auch Jan Gyamerah schnell isoliert und in Überzahl gepresst werden konnte. Seine große Chance zeigte, dass er bei entsprechenden Räumen jedoch auch direkt Richtung Tor agieren kann.