Die Hertha feiert einen ungefährdeten Sieg, da sie durch
Ronnys flexible Rolle das Mittelfeld dominiert. Der VfL darf erst
mitspielen, als das Spiel bereits entschieden ist.
Grundformationen
Grundformationen bis zur 67. min |
Die Hausherren traten in einem 4-2-3-1 an, welches durch
Ronnys und Kluges flexible Bewegungen auch häufig Züge eines 4-3-3 mit 1-2
Anordnung im Mittelfeld aufwies. Die Absicherung der beiden offensiveren
Halbpositionen wurde durch Niedermeyer bereitgestellt. Die Räume, die Ronny
durch seine Rückfallbewegungen in die halbrechte Position schuf, wurden
insbesondere von Allagui durch diagonale Läufe attackiert. Dieser agierte
zeitweise sogar als zweite Spitze neben Ramos.
Der VfL Bochum setzte der Hertha ein 4-4-2/4-4-1-1 entgegen.
Anders als bei der Hertha war die Doppelsechs klar bezüglich des linken und
rechten Halbraums aufgeteilt. Die beiden nominellen Flügelspieler Tasaka und
Rzatkowski rückten häufig und hoch ein, so dass die Formation häufig auch Züge
eines 4-2-2-2 annahm. Entgegen seiner eigentlichen Anlage als nomineller
6er/8er spielte Goretzka auch bei Ballbesitz im Stile einer zweiten Spitze
neben Dedic.
Pressing
Die Hertha stellte sich gegen den Ball in einem 4-4-1-1 mit
Mittelfeldpressing auf. Dieses gab es aufgrund des Mangels an längeren
Ballbesitzphasen der Gäste jedoch nur selten zu sehen. In den meisten Fällen
reichte das Gegenpressing aus der 4-2-3-1/4-3-3 Formation der Spielaufbauphasen
heraus, um Bochum zu direkten Ballverlusten oder ungenauen langen Bällen zu
zwingen.
Bis zum 2:0 spielte der Vfl Bochum ein tiefes
Mittelfeldpressing im 4-4-2. Sobald die Hertha den Ball in Höhe des
Mittelkreises brachte, wurden klare Mannorientierungen befolgt. Aufgrund der
Asymmetrie des Berliner Mittelfeldes mit klarer 6er/8er/10er Aufteilung entstanden
hier häufig 4-1-3-2 Zwischenanordnungen. Dies war immer dann der Fall, wenn
Kramer gegen Kluge oder Dabrowski gegen Ronny Manndeckungen aufnahmen, während
der jeweils andere Spieler noch positionsorientiert den Raum deckt.
Wenn der Jäger sammeln muss…
Die Hertha nutzte die individuelle und formationsbedingte
Überlegenheit im Zentrum, um das Spiel zu dominieren. Dabei konnten sie
insbesondere über ihre halbrechte Seite viele Angriffe vorbereiten. Da Kluge
durch seine höhere Position Kramer früh band, musste Dabrowski den halblinken
Zehnerraum häufig allein sichern. Diese Rolle entspricht jedoch nicht seinem
Spielertyp. Dabrowski kommt über seine Physis, die er versucht in direkten
Duellen einzubringen. In der Jäger-Sammler-Terminlogie verkörpert er den
Prototyp des Jägers. Dementsprechend verließ er die absichernde Position häufig
sobald Niedermeyer die Mittellinie überquerte. Dies war wiederum eine Einladung
für Ronny oder den einrückenden Allagui, die das unbedachte Herausrücken sofort
ausnutzten, um den so geschaffenen Raum zu attackieren. Da Dabrowski seinen
Deckungsschatten wenig bis gar nicht nutzte, war es für die Hertha leicht,
diese Räume direkt oder über den dritten Mann anzuspielen. Ungünstige
Zweikopfpositionen für Dabrowski und Kramer oder ein riskantes Herausrücken der
Innenverteidiger waren die Folge. Der Freistoß zum 1:0 entstand durch ein
taktisches Foul, nach einer solchen Situation. Dabei reichte ein Vorstoß
Niedermeyers noch vor der Ausführung eines Einwurfs aus, um Dabrowski aus
seiner Position zu ziehen.
Nach der frühen Führung konnte die Hertha sich auf die
Dominanz des Zentrums verlassen. Die drei zentralen Mittelfeldspieler verschoben
bei Ballbesitz eng zueinander und sicherten die Verbindungen sowie die
Grundstruktur für das Gegenpressing bei Ballverlust, sehr ähnlich wie Werder Bremen zu Beginn der Saison. Durch
Niedermeyers freie Position konnten sie das Spiel immer wieder in Ruhe aufbauen
und verlagern. Der VfL fand nie in die Zweikämpfe und das direkte Gegenpressing
der Hertha verhinderte, dass der VfL Sicherheit im Aufbauspiel gewann.
Dementsprechend verlief die erste Halbzeit ohne weitere nennenswerte Höhepunkte.
Der gefangene Pressingstürmer
Die Rolle Goretzkas in der Ausgangsformation blieb während
der gesamten Partie unklar. Es lässt sich vermuten, dass Neitzel ihn aufgrund
seiner Kopfballstärke als Zielspieler einsetzen wollte. Immerhin misst er
stolze 1,89 m. Für diese Vermutung sprechen die langen Bälle, die von den Innenverteidigern Maltritz und Eyjolfsson sowie von Torhüter Luthe auf ihn geschlagen wurden. Im Vergleich dazu auf Dedic jeweils nur einer. Von diesen langen Bällen kamen jedoch nur vier überhaupt an und Goretzka konnte nur zwei behaupten.
Die überschaubaren Vorteile der hohen Positionierung
Goretzkas konnten die Nachteile bei Weitem nicht aufwiegen. Er konnte seine Dynamik
in Form von vertikalen Läufe und Dribblings, oft nach der Befreiung aus Pressingsituationen,
nicht einbringen. Für eine Rolle als falsche Neun waren die
Ballbesitzphasen des VfL viel zu kurz und es fehlten dynamische Außenstürmer,
die diese Räume hätten nutzen können. Ersteres war sogar so extrem, dass es
Goretzka nicht möglich war, sich ins Aufbauspiel einzuschalten, wie es beispielsweise Takashi Inui in der letzten Saison häufig getan hat. Bis zum
langen Ball oder Ballverlust hatte Goretzka keine Chance, seine Position als
zweite Spitze im Pressing zu verlassen.
Eine Reaktion auf die Isolation Goretzkas sowie die Dominanz
der Hertha im Mittelfeld wäre die Umstellung auf ein klares 4-4-1-1 gewesen.
Goretzka hätte Niemeyer stärker binden und als Umschaltstation fungieren
können. Da dies nicht geschah, lässt sich vermuten, dass Neitzel einen Plan
verfolgte. Dieser wurde aber zu keinem Zeitpunkt offenbar.
Zweite Halbzeit
Mit dem zweiten Tor direkt nach dem Wiederanpfiff hätte
vermutet werden können, dass Bochum entweder alles auf eine Karte setzt oder
versucht, ein Debakel zu vermeiden. Eine Veränderung der Ausrichtung war jedoch
nur in Nuancen zu erkennen. Bochum beließ es bei einem Mittelpressing und
verzichtete auf ein aggressives Anlaufen der Abwehrkette, wie es noch gegen Kaiserlauten praktiziert wurde. Einer der Sechser orientierte sich nun
jedoch an Niedermeyer, während Ronny an die Innenverteidiger übergeben wurde.
Aufgrund der asymmetrischen Berliner Formation entstand eine 4-1-3-2
Pressingordnung, in welcher die Innenverteidiger durch riskantes Herausrücken
die Löcher im Sechserraum kompensieren mussten. Somit wurde eine nominell
extrem offensive Formation in ein defensives Grundkonzept verpackt. Die
beschriebene Rolle Dabrowskis tat ihr Übriges.
Wechsel
Erst in der 67. Minute reagierte Neitzel und stellte das Personal
auf die neue Formation ein. Mit Aydin kam für Dabrowski eine echte zweite
Spitze. Goretzka wurde (endlich) ins Mittelfeld beordert. Freier sollte die
fehlende Breite und Direktheit auf der rechten Außenposition liefern. Er kam
für Rzatkowski, der bis dahin eher eingerückt und spielmachend agierte.
Erstaunlicher Weise übernahm jedoch Goretzka, nicht der bisherige Sechser Kramer, die
Position als alleinige Absicherung. Kramer fungierte als umtriebiger 8er/10er.
Grundformationen ab der 67. min. |
In der Folge waren die Spielanteile etwas gleichmäßiger
verteilt. Bochum schaffte es teilweise durch Überladungen auf der rechten Seite
den Spielaufbau ins zweite Drittel zu verlagern. Durch eine zu enge
Positionierung von Tasaka konnte die Hertha diese Szenen jedoch extrem kompakt
verteidigen und vom restlichen Spielgeschehen abschneiden. Die Läufe von
Chaftar aus der Linksverteidigerposition erzeugten keine Gefahr, da selbst
erfolgreiche Verlagerungen hektisch mit ungenauen Flanken abgeschlossen wurden.
So blieb Bochum bis zum Schluss ohne Torschuss und die Hertha feierte einen
absolut ungefährdeten Sieg.