Dienstag, 14. Mai 2013

Hertha BSC Berlin – VfL Bochum 2:0


Die Hertha feiert einen ungefährdeten Sieg, da sie durch Ronnys flexible Rolle das Mittelfeld dominiert. Der VfL darf erst mitspielen, als das Spiel bereits entschieden ist.

Grundformationen

 

Grundformationen bis zur 67. min

Die Hausherren traten in einem 4-2-3-1 an, welches durch Ronnys und Kluges flexible Bewegungen auch häufig Züge eines 4-3-3 mit 1-2 Anordnung im Mittelfeld aufwies. Die Absicherung der beiden offensiveren Halbpositionen wurde durch Niedermeyer bereitgestellt. Die Räume, die Ronny durch seine Rückfallbewegungen in die halbrechte Position schuf, wurden insbesondere von Allagui durch diagonale Läufe attackiert. Dieser agierte zeitweise sogar als zweite Spitze neben Ramos.

Der VfL Bochum setzte der Hertha ein 4-4-2/4-4-1-1 entgegen. Anders als bei der Hertha war die Doppelsechs klar bezüglich des linken und rechten Halbraums aufgeteilt. Die beiden nominellen Flügelspieler Tasaka und Rzatkowski rückten häufig und hoch ein, so dass die Formation häufig auch Züge eines 4-2-2-2 annahm. Entgegen seiner eigentlichen Anlage als nomineller 6er/8er spielte Goretzka auch bei Ballbesitz im Stile einer zweiten Spitze neben Dedic.

Pressing


Die Hertha stellte sich gegen den Ball in einem 4-4-1-1 mit Mittelfeldpressing auf. Dieses gab es aufgrund des Mangels an längeren Ballbesitzphasen der Gäste jedoch nur selten zu sehen. In den meisten Fällen reichte das Gegenpressing aus der 4-2-3-1/4-3-3 Formation der Spielaufbauphasen heraus, um Bochum zu direkten Ballverlusten oder ungenauen langen Bällen zu zwingen.

Bis zum 2:0 spielte der Vfl Bochum ein tiefes Mittelfeldpressing im 4-4-2. Sobald die Hertha den Ball in Höhe des Mittelkreises brachte, wurden klare Mannorientierungen befolgt. Aufgrund der Asymmetrie des Berliner Mittelfeldes mit klarer 6er/8er/10er Aufteilung entstanden hier häufig 4-1-3-2 Zwischenanordnungen. Dies war immer dann der Fall, wenn Kramer gegen Kluge oder Dabrowski gegen Ronny Manndeckungen aufnahmen, während der jeweils andere Spieler noch positionsorientiert den Raum deckt.

Wenn der Jäger sammeln muss…


Die Hertha nutzte die individuelle und formationsbedingte Überlegenheit im Zentrum, um das Spiel zu dominieren. Dabei konnten sie insbesondere über ihre halbrechte Seite viele Angriffe vorbereiten. Da Kluge durch seine höhere Position Kramer früh band, musste Dabrowski den halblinken Zehnerraum häufig allein sichern. Diese Rolle entspricht jedoch nicht seinem Spielertyp. Dabrowski kommt über seine Physis, die er versucht in direkten Duellen einzubringen. In der Jäger-Sammler-Terminlogie verkörpert er den Prototyp des Jägers. Dementsprechend verließ er die absichernde Position häufig sobald Niedermeyer die Mittellinie überquerte. Dies war wiederum eine Einladung für Ronny oder den einrückenden Allagui, die das unbedachte Herausrücken sofort ausnutzten, um den so geschaffenen Raum zu attackieren. Da Dabrowski seinen Deckungsschatten wenig bis gar nicht nutzte, war es für die Hertha leicht, diese Räume direkt oder über den dritten Mann anzuspielen. Ungünstige Zweikopfpositionen für Dabrowski und Kramer oder ein riskantes Herausrücken der Innenverteidiger waren die Folge. Der Freistoß zum 1:0 entstand durch ein taktisches Foul, nach einer solchen Situation. Dabei reichte ein Vorstoß Niedermeyers noch vor der Ausführung eines Einwurfs aus, um Dabrowski aus seiner Position zu ziehen.

Nach der frühen Führung konnte die Hertha sich auf die Dominanz des Zentrums verlassen. Die drei zentralen Mittelfeldspieler verschoben bei Ballbesitz eng zueinander und sicherten die Verbindungen sowie die Grundstruktur für das Gegenpressing bei Ballverlust, sehr ähnlich wie Werder Bremen zu Beginn der Saison. Durch Niedermeyers freie Position konnten sie das Spiel immer wieder in Ruhe aufbauen und verlagern. Der VfL fand nie in die Zweikämpfe und das direkte Gegenpressing der Hertha verhinderte, dass der VfL Sicherheit im Aufbauspiel gewann. Dementsprechend verlief die erste Halbzeit ohne weitere nennenswerte Höhepunkte.

Der gefangene Pressingstürmer


Die Rolle Goretzkas in der Ausgangsformation blieb während der gesamten Partie unklar. Es lässt sich vermuten, dass Neitzel ihn aufgrund seiner Kopfballstärke als Zielspieler einsetzen wollte. Immerhin misst er stolze 1,89 m. Für diese Vermutung sprechen die langen Bälle, die von den Innenverteidigern Maltritz und Eyjolfsson sowie von Torhüter Luthe auf ihn geschlagen wurden. Im Vergleich dazu auf Dedic jeweils nur einer. Von diesen langen Bällen kamen jedoch nur vier überhaupt an und Goretzka konnte nur zwei behaupten.

Die überschaubaren Vorteile der hohen Positionierung Goretzkas konnten die Nachteile bei Weitem nicht aufwiegen. Er konnte seine Dynamik in Form von vertikalen Läufe und Dribblings, oft nach der Befreiung aus Pressingsituationen, nicht einbringen. Für eine Rolle als falsche Neun waren die Ballbesitzphasen des VfL viel zu kurz und es fehlten dynamische Außenstürmer, die diese Räume hätten nutzen können. Ersteres war sogar so extrem, dass es Goretzka nicht möglich war, sich ins Aufbauspiel einzuschalten, wie es beispielsweise Takashi Inui in der letzten Saison häufig getan hat. Bis zum langen Ball oder Ballverlust hatte Goretzka keine Chance, seine Position als zweite Spitze im Pressing zu verlassen.

Eine Reaktion auf die Isolation Goretzkas sowie die Dominanz der Hertha im Mittelfeld wäre die Umstellung auf ein klares 4-4-1-1 gewesen. Goretzka hätte Niemeyer stärker binden und als Umschaltstation fungieren können. Da dies nicht geschah, lässt sich vermuten, dass Neitzel einen Plan verfolgte. Dieser wurde aber zu keinem Zeitpunkt offenbar.

Zweite Halbzeit


Mit dem zweiten Tor direkt nach dem Wiederanpfiff hätte vermutet werden können, dass Bochum entweder alles auf eine Karte setzt oder versucht, ein Debakel zu vermeiden. Eine Veränderung der Ausrichtung war jedoch nur in Nuancen zu erkennen. Bochum beließ es bei einem Mittelpressing und verzichtete auf ein aggressives Anlaufen der Abwehrkette, wie es noch gegen Kaiserlauten praktiziert wurde. Einer der Sechser orientierte sich nun jedoch an Niedermeyer, während Ronny an die Innenverteidiger übergeben wurde. Aufgrund der asymmetrischen Berliner Formation entstand eine 4-1-3-2 Pressingordnung, in welcher die Innenverteidiger durch riskantes Herausrücken die Löcher im Sechserraum kompensieren mussten. Somit wurde eine nominell extrem offensive Formation in ein defensives Grundkonzept verpackt. Die beschriebene Rolle Dabrowskis tat ihr Übriges.

Wechsel


Erst in der 67. Minute reagierte Neitzel und stellte das Personal auf die neue Formation ein. Mit Aydin kam für Dabrowski eine echte zweite Spitze. Goretzka wurde (endlich) ins Mittelfeld beordert. Freier sollte die fehlende Breite und Direktheit auf der rechten Außenposition liefern. Er kam für Rzatkowski, der bis dahin eher eingerückt und spielmachend agierte. Erstaunlicher Weise übernahm jedoch Goretzka, nicht der bisherige Sechser Kramer, die Position als alleinige Absicherung. Kramer fungierte als umtriebiger 8er/10er.

Grundformationen ab der 67. min.

In der Folge waren die Spielanteile etwas gleichmäßiger verteilt. Bochum schaffte es teilweise durch Überladungen auf der rechten Seite den Spielaufbau ins zweite Drittel zu verlagern. Durch eine zu enge Positionierung von Tasaka konnte die Hertha diese Szenen jedoch extrem kompakt verteidigen und vom restlichen Spielgeschehen abschneiden. Die Läufe von Chaftar aus der Linksverteidigerposition erzeugten keine Gefahr, da selbst erfolgreiche Verlagerungen hektisch mit ungenauen Flanken abgeschlossen wurden. So blieb Bochum bis zum Schluss ohne Torschuss und die Hertha feierte einen absolut ungefährdeten Sieg.