Mittwoch, 27. November 2013

DSC Arminia Bielefeld – VfL Bochum 0:2

Mit einer abgeklärten Defensivleistung und guter Effizienz im Abschluss kann der VfL ohne große Mühe die Punkte aus Bielefeld entführen. Peter Neururer bekommt die Probleme in der Absicherung immer besser in den Griff. Die Ideen und Anpassungen von Stefan Krämer gehen jedoch nicht ganz auf.

Grundformationen


Für Peter Neururer gab es keinen Grund, die erfolgreiche Mannschaft der letzten vier Spiele großartig zu ändern. Lediglich der wiedergenese Felix Bastians verdrängte den erst kurzfristig vor dem Spiel von der Länderspielreise zurückgekehrten Piotr Cwielong. Die Arminia hatte zwar den lange verletzten und stark vermissten Fabian Klos bereits wieder auf der Bank, doch in der ersten Halbzeit ließ Bielefelds Trainer Stefan Krämer den eigentlichen Abwehrspieler Manuel Hornig in der Spitze ran, um einen Zielspieler für lange Bälle zu haben.
  
Grundformationen zu Spielbeginn
 

Spielidee des VfL


Im Vorbericht hieß es „Bochum ist taktisch nahezu lächerlich vorhersehbar“. Diese etwas überzogene Spitze wird von Peter Neururer in den letzten Spielen immer mehr wiederlegt. Die in den ersten Spielen aufgetretenen Probleme, besonders im Aufbauspiel und in der Konterabsicherung sowie beim Verschließen der defensiven Zwischenlinienräume, werden durch gut auf den jeweiligen Gegner abgestimmte Mechanismen mittlerweile sehr gut kompensiert. So wurden die offensiven Außenverteidiger Kaiserlauterns mit Mannorientierungen der äußeren Mittelfeldspieler und die situative Bildung von Fünfer- und Sechserketten gekontert. Gegen Köln wurde durch eine gute Angriffslenkung und ein positionstreueres Verhalten der Sechser der Zwischenlinienraum verriegelt. Die Angriffsbemühungen wurden über lange Bälle auf Sukuta-Pasu und eine gute Staffelung für die zweiten Bälle initiiert und sehr gut abgesichert. Gegen Bielefeld gab es alle diese Mittel in kombinierter Form zu sehen. Darauf soll in den folgenden Paragraphen näher eingegangen werden.

Verschließen der Zwischenlinienräume durch abgeklärteres Defensivspiel


Wie in den letzten Spielen, stellte sich der VfL in der Defensive sehr tief auf. Beide Viererketten standen maximal 10 m auseinander. Dabei war es interessant, wie der VfL zwischen zonenbasierten und konsequenten Mannorientierungen sowie raumsichernden Positionen variierte. Zweikämpfe werden nur noch in Überzahlsituationen, also vor allem rund um den Strafraum, aggressiv geführt. Dieses Vorgehen galt sowohl für die organisierte Defensive wie auch im Umschaltmoment. Es ist völlig konträr zum individuellen Gegenpressing, das in den vorherigen Monaten praktiziert wurde. Auf den Außen und in höheren Zonen lag das Hauptaugenmerk auf lenkenden oder verzögernden Aktionen. Falls Bielefeld mit den Sechsern oder gar den Innenverteidigern in die offenen Flügelbereiche des 4-4-2 vorstoßen wollte, hatte der jeweils ballnahe Bochumer Außenspieler die Aufgabe, passiv zurückzuweichen, den Bielefelder nach außen zu leiten und die Mitte zu versperren. Hier wurde im eigenen Drittel dann meist mannorientiert in Gleichzahl agiert. Ein Doppeln war fast nie zu sehen. So konnte der ballnahe Außenverteidiger den Kontakt zu den Innenverteidigern halten. Gleichzeitig rückte der ballferne Außenverteidiger weit ins Zentrum. Speziell gegen Bielefeld machte sich wohl auch bemerkbar, dass eine starke Überzahl gegen den stürmenden Innenverteidiger Hornig sichergestellt werden sollte. Mit Felix Bastians im linken Mittelfeld gab es einen sehr disziplinierten und spielintelligenten Akteur, der gezielt zwischen mannorientiertem Verfolgen, raumorientierten Blocken und lenkendem Stellen variierte. Sein Gegenüber Yusuke Tasaka ist weniger spielintelligent, wurde jedoch durch eine klare Manndeckungsaufgabe in die Pflicht genommen. Ein Zocken wie beispielsweise im Spiel gegen St. Pauli war somit nicht möglich. Es gab Szenen, in denen Tasaka Läufe in den Rücken des vorgerückten Rechtsverteidigers Paul Freier verfolgte und somit sogar kurzzeitig die Position als Außenverteidiger einnahm (5. min). Die lenkenden raumorientierten Aktionen wurden auf der rechten Seite von Tiffert initiiert, der dann oft leicht horizontal pendelnd vor dem zentral absichernden Jungwirth agierte.
  
Beispielsituation für das erfolgreiche Verschließen der Zwischenlinienräume. Ilsö und Jungwirth verfolgen ihre Gegenspieler mannorientiert, um Unterzahlen zu verhindern und ein Herausrücken der Abwehrspieler zu vermeiden. Bastians sichert gleichzeitig die Passwege entlang der Linie und ins Zentrum. Acquistapace hält den Kontakt zu Fabian und Maltritz.Tiffert und Tasaka sichern den Raum vor der Abwehrkette.
  

Aufbauspiel? Nein Danke, wir haben Sukuta-Pasu!


Die zweite große Baustelle des VfL war das berechenbare und somit durch abgefangene Pässe oder gut hergestellte Pressingsituationen des Gegners hochriskante Aufbauspiel. Diese Baustelle wurde geschlossen, indem ein spielerischer Aufbau aus der Abwehr völlig verweigert wurde. Sobald sich die Möglichkeit bat, wurde mit langen Bälle auf Sukuta-Pasu oder in die freien Räume auf den Außen operiert. In diesen Situationen zeigte sich die ganze Klasse des aus Kaiserslautern ausgeliehenen Stürmers. Er zeigt stets gut getimte Bewegungen auf die Flügel und ins Mittelfeld, die er meist so weit ausführte, dass die Innenverteidiger ihn in das Mittelfeld oder an die Außenverteidiger übergaben. Diese kurzen Phasen reichten aus, damit Sukuta-Pasu die Bälle festmachen und ablegen konnte. Damit bespielten die Bochumer auch die Bielefelder Mannorientierungen durchaus geschickt, indem sie die Sechser oder Außenverteidiger herauslockten und dadurch einige Male große Distanzen zwischen Mittelfeld und Abwehr bzw. zwischen Innen- und Außenverteidigung aufzogen. Dabei war die Staffelung für diese Bälle durch Einrücken von Bastians und Tasaka sehr gut. Durch die hohe Stellung von Ilsö, der anders als im Spiel gegen Köln sich bei den Ablagen nicht hinter dem Ball positionierte, und diagonale Läufe aus der zentralen Stellung konnte nach der Ballsicherung sofort weiterer Raumgewinn erzielt werden.
  
Stellung bei einem langen Ball aus der Abwehr auf Sukuta-Pasu, der aus dem Zentrum weit in den rechten Halbraum ausweicht. Tasaka attackiert direkt den Freiraum hinter dem aufgerückten Außenverteidiger, falls Sukuta-Pasu den Ball per Kopf weiterleiten kann. Tiffert, Jungwirth und Bastians besetzen eng gestaffelt das Zentrum, um gegen schnelle Gegenstöße abgesichert zu sein. Ilsö steht für direkte Vertikalpässe nach Ablagen im Zwischenlinienraum bereit.
  

Dribblings gegen das Gegenpressing

 
Eine zentrale Frage des Vorberichts thematisierte das Gegenpressing gegen Bochums Sechser Florian Jungwirth. Dieses war letztendlich kein so entscheidender Faktor, da Jungwirth aufgrund von Bielefelds Spielaufbau, der ebenfalls mit vielen langen Bällen operierte, und der eher passiven Spielweise der Bochumer nicht der zentrale Ballgewinner war. Stattdessen wurden die meisten Bälle von den Innenverteidiger herausgeköpft, die dann zumeist versuchten, die Situationen über die spielstarke rechte Seite aufzulösen. Dabei wurden insbesondere die Dynamik und Dribblings von Freier und Tasaka genutzt, wobei jedoch bei Möglichkeit auch wieder lange Bälle als Mittel dienten. Wurden die Bälle ins Zentrum geklärt, so versuchte auch Jungwirth durch Sololäufe das Pressing zu umgehen. Dies gelang ihm jedoch nicht immer. Hier spielte auch eine spezielle Charakteristik des Bielefelder Pressings eine Rolle. Die zweiten Bälle wurden nicht direkt attackiert. Stattdessen wurde gewartet, bis der Bochumer Spieler den Ball kontrolliert und sich nach einer Passoption umsieht. In diesem Moment schwärmten die Bielefelder aggressiv aus und stellten mannorientiert alle Passmöglichkeiten zu. Dribblings gegen den ballattackieren Bielefelder waren somit oft die einzige Möglichkeit. In den ersten 10 min wurde dies von Bielefeld herausragend gemacht, danach fehlte diesem Pressing etwas die Dynamik. Das Tor zum 0:1 fiel nachdem Tasaka eine solche Pressingsituation mit einem Dribbling und einem Pass in den freien Raum auflöste.
  
Die Szene vor dem 0:1. Nach einem Ballgewinn kann Tasaka den Ball sichern. Er wird direkt von vorn und von hinten aggressiv attackiert. Gleichzeitig sind alle ballnahen Anspielstationen mannorientiert zugestellt. Tiffert nutzt diese Eigenart des Bielefelder Pressings und zieht Tasaka den Raum ins Zentrum frei, den dieser mit einem Dribbling ansteuert. Bielefelds rechter Mittelfeldspieler orientiert sich darauf  mannorientiert an Jungwirth, so dass Acquistapace nach dem Pass frei die gesamte Linie entlang laufen kann.
 
Bei Tasaka erzeugte diese Art der Befreiung gegen einzelne Gegenspieler wohl zu viele positive Energien. Er stürzte sich auch im Offensivdrittel häufig allein gegen 3-4 Leute in Dribblings. Dabei gab es jedoch, anderes als in der damaligen Ausrichtung mit starken Überladungen und dynamischer Absicherung, kaum eine Chance auf Abpraller bei Ballverlusten. Hier traten die allgemein nicht immer gut gestaffelten Strukturen des VfL im freien Spiel hervor, da die unterstützenden Spieler sich zu flach in letzter Linie positionierten.
 

Der Beitrag von Felix Bastians


Felix Bastians stabilisierte nicht nur die Defensive. Auch offensiv zeigte er interessante Bewegungen. Die langen Bälle Bochums zielten meist auf den rechten Halbraum (siehe Abbildung bei 00:43). Trotz seiner recht linearen Interpretation des Außenverteidigers klebte er keinesfalls stark an seiner linken Seite, um für Verlagerungen bereit zu stehen. Allerdings war er auch kein konstant nach rechts gehender Akteur, der sich in die Überladungen des angespielten Raums eingebunden hätte, um die Kompaktheit in diesen Bereich zu stärken. Vor allem bestand seine Aufgabe scheinbar darin, auf chaotische Situationen zu warten und alle möglichen Freiräume anzusteuern, die sich durch den etwas hektischen Spielcharakter und die Bielefelder Mannorientierungen auftaten. Weil Ilsö und Sukuta-Pasu einige Male auswichen und Feick durch Tasaka ins Zentrum gezogen wurde, ergaben sich in diesen Bereichen – zu einer der beiden Seiten von Salger – häufig größere Schnittstellen, in die Bastians aus seiner zentraleren Position hineinstarten konnte. So diente er einige Male als Ablagestation in letzter Linie, die situativ zur Grundlinie starten konnte, sorgte aber meistens für Tiefe im Bereich um das Strafraumeck.
   
Situation vor der Flanke zum 0:1. Acquistapace hat nach seinen Sololauf auf Jungwirth abgelegt. Dieser wird von zwei freien Bielefeldern nur gestellt. Dies liegt auch an Felix Bastians, der aus einer absichernden zentralen Position das linke Strafraumeck angelaufen hat und somit ballnah Verwirrung stiftete.
  

Wechsel

  
Mit der Einwechslung von Achahbar stiegen die spielerischhochwertigen Aktionen der Bielefelder erheblich. Der VfL war deshalb durch die Wechsel bemüht, die Stabilität wieder zu erhöhen. Der – trotz seines Tores – offensiv unglückliche Tasaka, der sich defensiv in der Manndeckung aufgerieben hatte, wurde durch Sechser Danny Latza ersetzt. Dafür wechselte Tiffert auf den rechten Flügel. Als auch Tiffert mit seinen Kräften am Ende war, wurde Freier ins Mittelfeld beordert, hinten sicherte Eyjolfsson als kopfstarker einrückender Außenverteidiger ab.

Fazit

  
Mit den aktuellen Anpassungen haben Peter Neururer und sein Team einen wichtigen Schritt getan und die Defensive gut stabilisiert. Durch die Aufgabe des konstruktiven Spielaufbaus zu Gunsten von gut vorbereiteten langen Bällen konnten auch die Schwächen in Aufbauspiel und Konterabsicherung kaschiert werden. Die Kehrseite dieser Taktik ist jedoch die extreme Abhängigkeit von Sukuta-Pasu, der nun bereits seit einiger Zeit an der Grenze zur Gelbsperre wandelt. Auch im Ausspielen der Kontersituationen gibt es noch einige Luft nach oben. In den kommenden Woche besteht also vor allem bezüglich gruppentaktischer Mittel für das Aufbau- und Umschaltspiel Trainingsbedarf.

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