Der VfL Bochum beging den Abschluss seiner
Saisonvorbereitung mit einem Testspiel gegen den Aston Villa FC. Cheftrainer
Peter Neururer kündigte an, in diesem Spiel seine bevorzugten Formationen zu
testen und die Spieler auf den Rasen zu schicken, die auch in der nächsten Woche gegen Union Berlin spielen sollen. Aus diesem Grunde möchte ich das
Spiel nutzen, den aktuellen Kader zu analysieren und eine Vorschau auf die neue
Saison zu wagen.
Die Rahmenbedingungen
Der Gegner Aston Villa FC bestreitet zurzeit seine
Saisonvorbereitung in Deutschland. Dabei liegt der aktuelle Fokus auf dem Aufbau der Fitness, da die Saison in England erst einen Monat später als die 2. Bundesliga startet. Paul Lambert, der Trainer der Gäste, nutzte die Partie
entsprechend, um vielen Spielern Einsatzzeiten zu gewähren. In der Pause wurde
komplett durchgewechselt. Unter anderem kamen auch die U21-Spieler Burke,
Carruthers, Gardner und Webb zum Einsatz. Dafür liefen bekannte Größen, wie
beispielsweise Given, Bent, Benteke oder Agbonlahor, gar nicht erst auf.
Villas Formation war geprägt durch zahlreiche Mannorientierungen.
Gegen das 4-3-3 der ersten Halbzeit sah es defensiv oft ebenfalls nach 4-3-3
aus, während es in der zweiten Halbzeit durch das Verfolgen des Abkippens von
Bulut eher wie ein 4-4-2 mit Raute wirkte. Offensiv gab es zwei klare Stürmer
und klare Pärchenbildung auf den Außen, so dass die Grundformation wohl ein
4-4-2 darstellte.
Abbildung 1: Grundformationen in der ersten Halbzeit |
Das Neururer’sche 4-3-3 oder die Rückkehr zur schottischen Furche
In der ersten Halbzeit schickte Neururer erstmals in der Vorbereitung die Mannschaft in einem 4-3-3 / 4-3-2-1 auf den Rasen. Die beiden hängenden Spitzen bzw. Zehner Cwielong und Tasaka legten ihre Positionen dabei sehr zentral aus. Defensiv sollte der Spielaufbau auf die Außenverteidiger gelenkt werden, um dort ins Pressing überzugehen. Offensiv war dies durch das extreme Aufrücken der Außenverteidiger Bastians und Freier bedingt. Diese schoben schon bei Ballbesitz der Innenverteidiger auf die Höhe von Tasaka und Cwielong vor, so dass eine Art 2-3-5 Aufbauformation entstand. Die grundlegende Spielidee war es wohl, durch die breite Positionierung von zwei der drei Mittelfeldspieler, zumeist Latza und Tiffert, die Außenverteidiger herauszulocken oder Villa zum starken Verschieben zu zwingen, um dann mit schnellen Diagonalbällen auf die hohen AV in den Rücken der Abwehr zu kommen. Diese Idee wurde jedoch aufgrund der flexibel ausgelegten Mannorientierungen bei Aston Villa FC blockiert. Der ballferne Außenverteidiger wurde zwar häufig freigelassen, um die Abwehrkette beim ballorientierten Verschieben horizontal kompakt zu halten. Durch den ständigen Druck auf die Innenverteidiger und die 6er/8er hatten diese jedoch nie die Zeit, präzise Diagonalbälle zu spielen. Die hektisch geschlagenen Bälle konnten selten erlaufen oder schnell genug kontrolliert werden.
Der VfL versuchte nach etwa 10-15 min, die Mittelfeldspieler
durch eine tiefere Positionierung im Aufbauspiel etwas vom Gegnerdruck zu
befreien. Außerdem sollte wohl die Gefahr durch die Konter Villas, die es
ebenfalls mit langen Bällen hinter die aufgerückten Außenverteidiger versuchten,
gebannt werden. Erst kippte Jungwirth zwischen die Innenverteidiger ab, später
versuchte es Tiffert mit einem Herausrücken in die Lücke rechts hinter
Freier. Defensiv standen sie dadurch sicherer, offensiv ging der Plan nicht
auf, da beide einfach von ihren Gegenspielern mannorientiert verfolgt wurden. Der
VfL verpasste es, die Mannorientierungen durch raumschaffende Läufe
auszuhebeln. Insbesondere Tasaka und Cwielong hätten die enorme Enge im Zentrum
durch ausweichende Bewegungen auflösen müssen, sie verharrten jedoch zumeist
statisch in der Halbposition und versperrten somit wichtige Räume. Die starren Positionswechsel zwischen der linken
und rechten Halbposition waren zu einfallslos. Sakuta-Pasu zeigte vereinzelt
gute ausweichende Bewegungen auf die rechte Außenbahn, wodurch er eine der
wenigen Torchancen in der ersten Hälfte einleitete. Auch Latza konnte mit
gezielt eingestreuten Diagonalläufen in die Lücken neben den Außenverteidigern Gefahr
erzeugen. Gefühlt fanden alle Offensivaktionen des VfL über die Außenbahnen
statt.
Defensiv war das 4-3-3 sehr stabil. Villa versuchte ebenfalls mit hohen Außenverteidigern auf den Flügeln durchzubrechen. Hier konnte jedoch durch die beiden recht breit verteidigenden 8er sowie die Außenverteidiger und Flügelstürmer zumeist in Überzahl agiert werden. Insbesondere Jungwirth, aber auch Latza, zeigten eine sehr gute Dynamik im Pressing und setzten die Aufbauspieler von Villa früh unter Druck. Insgesamt ergab sich so in der ersten Hälfte ein sehr zerfahrenes Spiel mit vielen Zweikämpfen aber wenigen Torchancen.
Die Rückkehr zum 4-4-2 – gewohntes System, doch keine Automatismen
In der zweiten Spielzeit stellte Neururer auf das unter ihm gewohnte 4-4-2/4-4-1-1 System um. Dazu musste der aktive Latza Platz für Aydin machen, der seine übliche Rolle als hängende Sturmspitze einnahm. Diese Änderung erzeugte offensiv wenig Besserung, resultierte jedoch zu Beginn in einer hohen Anfälligkeit auf den Außenbahnen. Es schien dabei so als rechneten Cwielong und Tasaka noch mit einer Absicherung durch die breiten 6er, welche jedoch aufgrund der Umstellung auf eine Doppelsechs nicht mehr gegeben war. Tifferts fehlende Dynamik tat ihr übriges. Beim Gegentor von Helenius wurde erst Freier auf rechts und dann Bastians auf links aufgrund fehlender Unterstützung im Eins gegen Eins vernascht. Die abschließende Flanke hätte Luthe zwar eventuell abfangen können, ähnliche Situationen hatte es in der ersten Halbzeit jedoch nicht gegeben. Es blieb aber bei einer kurzen Phase der defensiven Instabilität. Cwielong und Tasaka intensivierten ihre defensiven Bemühungen und durch das fast dauerhaft praktizierte Abkippen des für Tiffert eingewechselten Bulut, konnten Maltritz und Fabian weiter Herausrücken, um den Außenverteidigern beim Ersticken der Flanken zu helfen.
Grundformationen in der zweiten Halbzeit |
Erschreckender als die defensiven Auswirkungen war jedoch die Veränderung des Offensivspiels. Das 4-4-3/2-3-5 wurde zwar sehr schablonenartig und statisch interpretiert, durch die fluid agierenden 6er/8er und die dauerhafte Besetzung der offensiven Außen war jedoch zumindest eine gesunde Grundstruktur zu erkennen. Im 4-4-2 waren die Bewegungen zwischen den nun breiter agierenden Tasaka und Cwielong und den Außenverteidigern völlig ohne Abstimmung. Wenn Bastians und Freier aufrückten wurde ein raumschaffendes Einrücken meist verpasst. Man stand sich sprichwörtlich auf den Füßen. Es ist zu vermuten, dass die Einwechslung von Bulut, mit dem von da an praktizierten Abkippen zwischen die Innenverteidiger, durch die Rückkehr zu den starren Mechanismen der ersten Hälfte Abhilfe schaffen sollte. Üblicherweise sollen die Außenverteidiger durch die breit spielenden Innenverteidiger nach vorne geschoben werden, was wiederum die Außenstürmer in die Halbräume befördert. Dies hätte also im Aufbauspiel zu einem 3-1-6 geführt, was sich gegenüber dem 3-2-5 aus der ersten Hälfte nur durch den Austausch eines Mittelfeldspielers durch einen Stürmer unterscheidet. Allerdings schienen die Spieler dieser extrem offensiven Formation nicht zu trauen. Insbesondere Freier rückte nur zaghaft auf, so dass er nun häufig sehr nah bei Maltritz agierte.
Die Kombination aus dem Abkippen von Bulut und der extremen
Mannorientierung bei Villa führten jedoch zu einem großen Loch im rechten
Halbraum. Gardner folgte Bulut, während Bacuna durch das Pärchen Freier/ Maltritz
gebunden war. Diesen Freiraum versuchten insbesondere Cwielong und Aydin zu
bespielen. Ersterer konnte hierbei teilweise überzeugen, indem er mit dem Ball
Fahrt für seine Dribblings aufnahm. So bereitete er beispielsweise auch die
Chance von Tasaka vor. Letzterer wirkte extrem schwach und verlor viele Bälle, wobei
jedoch die fehlenden Läufe von Freier und Cwielong Aydin auch wenige Optionen
gaben. Jungwirth war allein im Zentrum völlig abgemeldet.
Ausblick auf die Saison 2013/2014
Auch wenn Aston Villa FC nicht nach einem typischen deutschen Zweitligaverein klingt, so erlaubt das Spiel doch einige Folgerungen für die kommende Saison. Durch das Fehlen der Starspieler Villas und die Komplettrotation zur Halbzeit war die individuelle Qualität nicht exorbitant höher. Mannorientierungen und konsequentes Flügelspiel werden sicherlich auch bei vielen der kommenden Gegner anzutreffen sein.
Defensiv scheint der VfL gut auf die Saison vorbereitet. Das
Pressing im 4-3-3 wirkt sehr stabil. Die Mannschaft verschiebt sehr
diszipliniert und kollektiv. Durch die enge Positionierung der vorderen
Dreierreihe gibt es kaum Wege ins Zentrum. Insbesondere Cwielong versteht es,
durch das Belauern von Passwegen das Pressing auf die Außenverteidiger zu
lenken und sofort Druck aufzubauen. Jungwirth und Latza machen einen sehr
dynamischen und bissigen Eindruck. Tiffert wirkt noch etwas müde, kann jedoch Vieles
durch sein gutes Stellungsspiel wettmachen. Auch in der 4-4-2-Defensivordnung
sah Bochum halbwegs stabil aus. Das Zentrum wird jedoch nicht so konsequent
dominiert wie im 4-3-3, vor allem da Jungwirth seine Dynamik aufgrund der
mangelnden Absicherung etwas zügeln muss und Aydin die Wege ins Zentrum nicht
mit der Konsequenz wie Cwielong und Tasaka abkappte. In der Viererkette hinterließ
Fabian nach seiner langen Verletzung einen guten Eindruck – ebenso wie Maltritz.
Wenn es überhaupt eine Anfälligkeit gibt, dann die Lücken hinter den weit
aufrückenden Außenverteidigern. Freier und Bastians wirken auch in Eins gegen
Eins-Situationen auf den Flügeln nicht immer stabil.
Die große Baustelle für den Saisonstart ist das
Offensivspiel. Es ist davon auszugehen, dass der extreme Flügelfokus
beibehalten wird. Ein kreativer zentraler Spieler für das letzte Drittel fehlt
im Kader. Morabit scheint noch nicht bereit für die Startaufstellung zu sein.
Er blieb das gesamte Spiel auf der Bank. Tiffert konnte noch nicht die Eignung
nachweisen, das Spiel aus der Tiefe zu ordnen. Für ein erfolgreiches
Flankenspiel muss die Abstimmung zwischen den Außenstürmern und -verteidigern
noch deutlich verbessert werden. Diese war entweder zu statisch (im 4-3-3) oder
gar nicht erst zu erkennen (4-4-2). Die Dribbling- und Abschlussstärke von
Cwielong und Tasaka ließ sich gegen Aston Villa FC nur erahnen, obwohl Tasaka
der späte Ausgleich glückte. Im Sturm war Sakuta-Pasu zwar bemüht,
Offensivgefahr strahlt er jedoch kaum aus. Aydin ist noch nicht in der Form,
als hängende Spitze Akzente zu setzen.
Nach dem Eindruck des heutiges Spiels scheint das 4-3-3
somit besser geeignet, die aktuellen offensiven Defizite zu beheben. Der
Einsatz von abkippenden bzw. herausrückenden Sechsern ist in diesem System
nicht gleichbedeutend mit einer Aufgabe des Zentrums. Das weite Aufrücken von
Bastians und Freier ist notwendig und kann gleichzeitig besser kompensiert
werden. Wird das Wechselspiel zwischen den Außenstürmern und –verteidigern noch
flexibler und dynamischer ausgelegt, beispielsweise durch späteres Einrücken
der Außenstürmer und diagonale Läufe der Außenverteidiger, gibt es noch
deutliches Steigerungspotenzial. Die Dynamik von Latza und Jungwirth kann in
diesem Kontext nette Synergien erzeugen. Eine weitere Option wäre es, Tasaka
auf einer der 8er-Positionen einzusetzen, um die Kreativität aus der Zentrale
zu steigern. Bastians könnte dann eine breitere Rolle als Außenstürmer spielen.
Seine Position in der Viererkette würde Butscher übernehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen