Das Heimspiel gegen den 1. FC Köln stand taktisch unter schlechten Vorezeichen. Die Mannschaft von Peter Stöger spielt sehr diszipliniert und verzichtet gekonnt auch im eigenen Stadion auf große Ballbesitzanteile. Vielmehr haben sie ihre Stärken im Pressing und Gegenpressing. Das Umschaltspiel und die Bewegungen der Offensivkräfte zwischen den Linien sehen zuweilen schon erstligareif aus. Damit waren sie eigentlich prädestiniert, die Probleme der Bochumer im Aufbauspiel und bei der Verteidigung des Zwischenlinienraums auszunutzen.
Anpassungen beim VfL Bochum
Der VfL verteidigt gewöhnlich in einem sehr lenkenden Mittelfeldpressing und sucht Zugriff auf den Außenbahnen. Dazu rücken die Sechser weit auf und die äußeren Mittelfeldspieler weit ein. In diesem Spiel gab es einige kleinere Anpassungen, um das Offensivspiel der Kölner zwischen den Linien einzuschränken. Die Sechser blieben lange Zeit sehr zentral und nah an der Viererkette. Trotz der Aufstellung von Tiffert gab es nur selten das 4-1-3-2 im Pressing zu sehen. Auch die Außenspieler rückten nicht so weit ein wie gewöhnlich und bleiben in der defensiven Grundformation mit den Sechsern in einer Kette. Versperrten Sukuta-Pasu und Ilsö also beim zentralem Ballbesitz im Kölner Aufbauviereck aus den Innenverteidigern und Sechsern etwa auf Höhe der Mittellinie den Weg in die Mitte wurde sinnbildlich eine 4-4-0-2 Defensivformation hergestellt. Sobald einer der Kölner Sechser oder Innenverteidiger mit Ball in die vertikal zentralen Halbräume einrückte, wurde dieser vom ballnahen äußeren Mittelfeldspieler innen gestellt, so dass kein Pass in den zentralen Raum vor der Abwehr möglich war. Gleichzeitig rückt der ballnahe Außenverteidiger auf, um die vom Mittelfeldspieler angebotene Außenbahn zu verstellen. Zumeist mussten die Kölner die Angriffe abbrechen oder unter dem Druck der beiden Außenspieler den langen Ball suchen. Bei den wenigen Chancen der Kölner in der ersten Halbzeit (z. B. nach Flanke auf Helmes in der 24. min) gelang es den Kölner über gute Lochpässe der Sechser in den Raum hinter den stellenden Außenverteidiger durchzubrechen. Die zentralen Zwischenlinienräume waren tabu.
"Wir wollten ihnen mehr Ballbesitz geben und die Räume in der Tiefe besetzen."
Peter Neururer
Grundformationen zu Spielbeginn |
Auch im Aufbauspiel war der VfL gut auf das Pressing der Kölner vorbereitet. Es wurde nicht wie üblich versucht, das Spiel über die rechte Außenbahn zu tragen. Stattdessen wurde das Pressing über gezielte lange Bälle auf Sukuta-Pasu überspielt. Bei diesen Bällen ließ sich Ilsö geschickt sehr tief fallen, um zusammen mit den einrücken Außenspielern Cwielong und Tasaka sowie einem aufrückenden Sechser Zugriff auf die zweiten Bälle herzustellen. Da die Kölner beim hohen Pressing oft herausrückten, um lokale Kompaktheiten vor dem Ball zu erzeugen, war dieses Mittel sehr passend und viele Bälle konnte so hinter die erste Linie gebracht werden. Sobald der Ball unter Kontrolle war, wurden die üblichen Mechanismen (Diagonalläufe von Tiffert, Überladung der rechten Seite) ausgespielt. Ilsö agierte dabei eher wie eine klassische 10 als wie eine hängende Spitze.
"Der VfL hat heute alles in die Waagschale geworfen, was wir im Vorfeld erwartet haben: Zweikampfstärke, Standards, lange Bälle"
Peter Stöger
Die Trainer reagieren
In den ersten 15 min der zweiten Hälfte behielt das Spiel die grundsätzlichen Strukturen bei. Köln versuchte vergeblich, Lücken in den Bochumer Defensivstrukturen zu finden. Bochum arbeitete weiterhin viel mit langen Bällen und schnellem Umschalten nach Ballgewinnen.
Grundformationen ab der 62. min |
In der 62. min reagierten beide Trainer. Während Peter Neururer mit dem Außenverteidiger Felix Bastians für Tasaka positionsgetreu wechselte, um die defensive Stabilität auf den Außen noch weiter zu stärken, opferte Peter Stöger Linksaußen Slawomir Peszko, um mit Anthony Ujah eine zweite Sturmspitze zu bringen. Daniel Halfar wechselte von der zentralen auf die linke Offensivposition. Der 1. FC Köln spielte von nun an ein klares 4-4-2. Interessanterweise konnte Peter Stöger durch diesen Wechsel erstmal die Räume vor der Abwehr in Angriff nehmen. Diese wurden nun noch dynamischer besetzt. Lehmann und Gerhardt zeigten gut getimte Vorstöße und Halfar tendierte von der linken Außenposition häufig Richtung Zentrum. Entscheidender war jedoch die defensive Bindung der Bochumer Innenverteidiger. Während diese in der ersten Hälfte häufig durch aggressives Herausrücken die Kölner schon bei der Ballannahme entscheidend stören konnten, sorgte die höhere Präsenz des FC im Sturmzentrum für eine deutlich vorsichtigere Gangart. In mehreren Situationen warteten Fabian, Acquistapace und Maltritz in einer 2 zu 3 Überzahl lieber ab, als den Ballführenden im Zwischenlinienraum aggressiv unter Druck zu setzen. Auf diese Weise konnte Köln ein paar vielsprechende Situationen erzeugen.
Der Bochumer Siegtreffer fiel in dieser Phase somit gegen den Trend des Spiels. Nach einem riskanten aber für die Idendität des VfL Bochum typischen aggressiven Tackling konnte Acquistapace den Ball behaupten. Seine Flanke brachte Richard Sukuta-Pasu mit dem Rücken zum Tor gegen zwei Kölner erfolgreich ins Netz. In der Situation kam dem VfL zu Gute, dass Bastians seine Außenposition deutlich linearer als Cwielong oder Tasaka interpretierte und somit durch sein Hinterlaufen Acquistapace die entscheidende Sekunde für seine Maßflanke verschaffen konnte. Kaum ist Bastians wieder da, fallen auch wieder Tore über links ;-).
Eine Premiere: Der VfL im flachen 4-5-1
In der 77. min stellte Peter Stöger erneut um. Für Außenverteidiger Miso Brecko kam Stürmer Kacper Przybylko. Marcel Risse spielte von nun an eine Art Flügelverteidiger, der die rechte Außenbahn komplett beackerte. Przybylko sollte die Präsenz im Rückraum und das Binden der Innenverteidiger weiter verstärken. Auch hier reagierte das Bochumer Trainerteam sofort. Danny Latza kam für Ken Ilsö und rückte ins defensive Zentrum, um die dort fehlende Präsenz wieder herzustellen. Tiffert und vor allem Jungwirth wurden entlastet und konnten im Pressing wieder bedingsloser herausrücken. Außerdem wurde Jungwirth von der Bürde des Spielaufbaus weiter entbunden. Der Bochumer Führungsspieler zeigte hier erneut Schwächen, die er aber mit teils begeisterungswürdigen Tacklings im Gegenpressing kaschieren konnte. Der VfL trat erstmals im flachen 4-5-1/4-1-4-1 mit herausrückenden Achtern an. Die Flügel wurden - auch mit der Einwechslung des Außenverteidigers Unur Bulut für Yusuke Tasaka in der 71. min - weiter verstärkt und die Präsenz im Rückraum war wieder hergestellt. Im Gegenzug wurde sich jedoch auf Unterzahlkonter, bei denen maximal einer der Außenspieler und einer der 8er mit aufrückte, beschränkt. Der VfL setzte voll auf die Verteidigung der knappen Führung.
Grundformationen ab der 85. min |
Da der VfL mit diesem Wechsel den Kölnern die einzige Gefahrenquelle nahm, griff Stöger endgültig zur Brechstange. Mit Roman Golobart kam in der 85. min ein klarer Zielspieler, der von nun an mit hohen Bällen gesucht wurde. Die weiteren Stürmer lauerten im Rückraum auf Ablagen, um zum entscheidenden Abschluss zu kommen. Mit etwas Glück bei Luthes Aussetzer und viel Einsatz von Fabian und Co., die im wahrsten Sinne Kopf und Kragen riskierten, rettete der VfL die Führung über die Zeit.
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