Mit einer abgeklärten Defensivleistung und guter Effizienz
im Abschluss kann der VfL ohne große Mühe die Punkte aus Bielefeld entführen.
Peter Neururer bekommt die Probleme in der Absicherung immer besser in den
Griff. Die Ideen und Anpassungen von Stefan Krämer gehen jedoch nicht ganz auf.
Grundformationen
Für Peter Neururer gab es keinen Grund, die erfolgreiche
Mannschaft der letzten vier Spiele großartig zu ändern. Lediglich der
wiedergenese Felix Bastians verdrängte den erst kurzfristig vor dem Spiel von
der Länderspielreise zurückgekehrten Piotr Cwielong. Die Arminia hatte zwar den lange verletzten und stark vermissten Fabian Klos bereits wieder auf der Bank, doch in der ersten Halbzeit ließ Bielefelds Trainer Stefan Krämer den eigentlichen Abwehrspieler Manuel Hornig in der Spitze ran, um einen Zielspieler für lange Bälle zu haben.
Grundformationen zu Spielbeginn |
Spielidee des VfL
Im Vorbericht hieß es „Bochum ist taktisch nahezu lächerlich
vorhersehbar“. Diese etwas überzogene Spitze wird von Peter Neururer in den
letzten Spielen immer mehr wiederlegt. Die in den ersten Spielen aufgetretenen
Probleme, besonders im Aufbauspiel und in der Konterabsicherung sowie beim Verschließen der defensiven Zwischenlinienräume, werden durch
gut auf den jeweiligen Gegner abgestimmte Mechanismen mittlerweile sehr gut
kompensiert. So wurden die offensiven Außenverteidiger Kaiserlauterns mit
Mannorientierungen der äußeren Mittelfeldspieler und die situative Bildung von
Fünfer- und Sechserketten gekontert. Gegen Köln wurde durch eine gute
Angriffslenkung und ein positionstreueres Verhalten der Sechser der
Zwischenlinienraum verriegelt. Die Angriffsbemühungen wurden über lange Bälle
auf Sukuta-Pasu und eine gute Staffelung für die zweiten Bälle initiiert und sehr gut abgesichert. Gegen
Bielefeld gab es alle diese Mittel in kombinierter Form zu sehen. Darauf soll
in den folgenden Paragraphen näher eingegangen werden.
Verschließen der Zwischenlinienräume durch abgeklärteres Defensivspiel
Wie in den letzten Spielen, stellte sich der VfL in der
Defensive sehr tief auf. Beide Viererketten standen maximal 10 m auseinander. Dabei
war es interessant, wie der VfL zwischen zonenbasierten und konsequenten
Mannorientierungen sowie raumsichernden Positionen variierte. Zweikämpfe werden
nur noch in Überzahlsituationen, also vor allem rund um den Strafraum,
aggressiv geführt. Dieses Vorgehen galt sowohl für die organisierte Defensive wie auch im Umschaltmoment. Es ist völlig konträr zum individuellen Gegenpressing, das
in den vorherigen Monaten praktiziert wurde. Auf den Außen und in höheren Zonen lag
das Hauptaugenmerk auf lenkenden oder verzögernden Aktionen. Falls Bielefeld
mit den Sechsern oder gar den Innenverteidigern in die offenen Flügelbereiche
des 4-4-2 vorstoßen wollte, hatte der jeweils ballnahe Bochumer Außenspieler
die Aufgabe, passiv zurückzuweichen, den Bielefelder nach außen zu leiten und
die Mitte zu versperren. Hier wurde im eigenen Drittel dann meist
mannorientiert in Gleichzahl agiert. Ein Doppeln war fast nie zu sehen. So konnte der ballnahe Außenverteidiger den Kontakt zu den Innenverteidigern halten. Gleichzeitig
rückte der ballferne Außenverteidiger weit ins Zentrum. Speziell gegen Bielefeld machte sich wohl auch bemerkbar, dass eine starke Überzahl gegen den stürmenden
Innenverteidiger Hornig sichergestellt werden sollte. Mit Felix Bastians im linken
Mittelfeld gab es einen sehr disziplinierten und spielintelligenten Akteur, der
gezielt zwischen mannorientiertem Verfolgen, raumorientierten Blocken und
lenkendem Stellen variierte. Sein Gegenüber Yusuke Tasaka ist weniger
spielintelligent, wurde jedoch durch eine klare Manndeckungsaufgabe in die
Pflicht genommen. Ein Zocken wie beispielsweise im Spiel gegen St. Pauli war
somit nicht möglich. Es gab Szenen, in denen Tasaka Läufe in den Rücken des
vorgerückten Rechtsverteidigers Paul Freier verfolgte und somit sogar
kurzzeitig die Position als Außenverteidiger einnahm (5. min). Die lenkenden
raumorientierten Aktionen wurden auf der rechten Seite von Tiffert initiiert,
der dann oft leicht horizontal pendelnd vor dem zentral absichernden Jungwirth
agierte.
Aufbauspiel? Nein Danke, wir haben Sukuta-Pasu!
Die zweite große Baustelle des VfL war das berechenbare und
somit durch abgefangene Pässe oder gut hergestellte Pressingsituationen des
Gegners hochriskante Aufbauspiel. Diese Baustelle wurde geschlossen, indem ein
spielerischer Aufbau aus der Abwehr völlig verweigert wurde. Sobald sich die
Möglichkeit bat, wurde mit langen Bälle auf Sukuta-Pasu oder in die freien
Räume auf den Außen operiert. In diesen Situationen zeigte sich die ganze
Klasse des aus Kaiserslautern ausgeliehenen Stürmers. Er zeigt stets gut getimte
Bewegungen auf die Flügel und ins Mittelfeld, die er meist so weit ausführte,
dass die Innenverteidiger ihn in das Mittelfeld oder an die Außenverteidiger
übergaben. Diese kurzen Phasen reichten aus, damit Sukuta-Pasu die Bälle
festmachen und ablegen konnte. Damit bespielten die Bochumer auch
die Bielefelder Mannorientierungen durchaus geschickt, indem sie die Sechser oder Außenverteidiger
herauslockten und dadurch einige Male große Distanzen zwischen Mittelfeld und
Abwehr bzw. zwischen Innen- und Außenverteidigung aufzogen. Dabei war die Staffelung für diese Bälle durch Einrücken von
Bastians und Tasaka sehr gut. Durch die hohe Stellung von Ilsö, der anders als
im Spiel gegen Köln sich bei den Ablagen nicht hinter dem Ball positionierte,
und diagonale Läufe aus der zentralen Stellung konnte nach der Ballsicherung
sofort weiterer Raumgewinn erzielt werden.
Dribblings gegen das Gegenpressing
Eine zentrale Frage des Vorberichts thematisierte das Gegenpressing gegen Bochums Sechser Florian Jungwirth. Dieses war letztendlich
kein so entscheidender Faktor, da Jungwirth aufgrund von Bielefelds
Spielaufbau, der ebenfalls mit vielen langen Bällen operierte, und der eher
passiven Spielweise der Bochumer nicht der zentrale Ballgewinner war.
Stattdessen wurden die meisten Bälle von den Innenverteidiger herausgeköpft,
die dann zumeist versuchten, die Situationen über die spielstarke rechte Seite
aufzulösen. Dabei wurden insbesondere die Dynamik und Dribblings von Freier und
Tasaka genutzt, wobei jedoch bei Möglichkeit auch wieder lange Bälle als Mittel
dienten. Wurden die Bälle ins Zentrum geklärt, so versuchte auch Jungwirth
durch Sololäufe das Pressing zu umgehen. Dies gelang ihm jedoch nicht immer.
Hier spielte auch eine spezielle Charakteristik des Bielefelder Pressings eine
Rolle. Die zweiten Bälle wurden nicht direkt attackiert. Stattdessen wurde
gewartet, bis der Bochumer Spieler den Ball kontrolliert und sich nach einer
Passoption umsieht. In diesem Moment schwärmten die Bielefelder aggressiv aus
und stellten mannorientiert alle Passmöglichkeiten zu. Dribblings gegen den ballattackieren
Bielefelder waren somit oft die einzige Möglichkeit. In den ersten 10 min wurde
dies von Bielefeld herausragend gemacht, danach fehlte diesem Pressing
etwas die Dynamik. Das Tor zum 0:1 fiel nachdem Tasaka eine solche Pressingsituation mit einem Dribbling und einem Pass in den freien Raum auflöste.
Bei Tasaka erzeugte diese Art der Befreiung gegen einzelne
Gegenspieler wohl zu viele positive Energien. Er stürzte sich auch im
Offensivdrittel häufig allein gegen 3-4 Leute in Dribblings. Dabei gab es jedoch,
anderes als in der damaligen Ausrichtung mit starken Überladungen und
dynamischer Absicherung, kaum eine Chance auf Abpraller bei Ballverlusten. Hier
traten die allgemein nicht immer gut gestaffelten Strukturen des VfL im freien Spiel hervor, da
die unterstützenden Spieler sich zu flach in letzter Linie positionierten.
Der Beitrag von Felix Bastians
Felix Bastians stabilisierte nicht nur die Defensive. Auch
offensiv zeigte er interessante Bewegungen. Die langen Bälle Bochums zielten
meist auf den rechten Halbraum (siehe Abbildung bei 00:43). Trotz seiner recht linearen Interpretation des
Außenverteidigers klebte er keinesfalls stark an seiner linken Seite, um für
Verlagerungen bereit zu stehen. Allerdings war er auch kein konstant nach
rechts gehender Akteur, der sich in die Überladungen des angespielten Raums
eingebunden hätte, um die Kompaktheit in diesen Bereich zu stärken. Vor allem
bestand seine Aufgabe scheinbar darin, auf chaotische Situationen zu warten und
alle möglichen Freiräume anzusteuern, die sich durch den etwas hektischen
Spielcharakter und die Bielefelder Mannorientierungen auftaten. Weil Ilsö und
Sukuta-Pasu einige Male auswichen und Feick durch Tasaka ins Zentrum gezogen
wurde, ergaben sich in diesen Bereichen – zu einer der beiden Seiten von Salger
– häufig größere Schnittstellen, in die Bastians aus seiner zentraleren
Position hineinstarten konnte. So diente er einige Male als Ablagestation in
letzter Linie, die situativ zur Grundlinie starten konnte, sorgte aber meistens für Tiefe im Bereich um das Strafraumeck.
Wechsel
Mit der Einwechslung von Achahbar stiegen die spielerischhochwertigen Aktionen der Bielefelder erheblich. Der VfL war deshalb durch die Wechsel bemüht, die Stabilität wieder
zu erhöhen. Der – trotz seines Tores – offensiv unglückliche Tasaka, der sich
defensiv in der Manndeckung aufgerieben hatte, wurde durch Sechser Danny
Latza ersetzt. Dafür wechselte Tiffert auf den rechten Flügel. Als auch Tiffert
mit seinen Kräften am Ende war, wurde Freier ins Mittelfeld beordert, hinten sicherte Eyjolfsson als
kopfstarker einrückender Außenverteidiger ab.
Fazit
Mit den aktuellen Anpassungen haben Peter Neururer und sein Team einen wichtigen Schritt getan und die Defensive gut stabilisiert. Durch die Aufgabe des konstruktiven Spielaufbaus zu Gunsten von gut vorbereiteten langen Bällen konnten auch die Schwächen in Aufbauspiel und Konterabsicherung kaschiert werden. Die Kehrseite dieser Taktik ist jedoch die extreme Abhängigkeit von Sukuta-Pasu, der nun bereits seit einiger Zeit an der Grenze zur Gelbsperre wandelt. Auch im Ausspielen der Kontersituationen gibt es noch einige Luft nach oben. In den kommenden Woche besteht also vor allem bezüglich gruppentaktischer Mittel für das Aufbau- und Umschaltspiel Trainingsbedarf.
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